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26. März 1999

Ruf der Tucane - 1999

Liebe Kunden und Kundinnen
Vor ein paar Tagen musste ich am Zoll Ware abholen, die aus Guatemala angekommen war. Am Abend, als Ruhe eingekehrt war, die Kinder in ihren Betten lagen, entlud ich die zwei riesigen Säcke. Mit so freudigen Ereignissen, wie die Ankunft von Waren für mich immer noch ist, warte ich gerne auf diesen speziellen Augenblick.

Die Ruhe am Abend beruhigt und beflügelt zu gleich. Habe ich Durst und trinke einen Schluck Wasser vom Brunnen, so bestaune ich gerne den mehrhundertjährigen Tulpenbaum, der über unserem Haus steht. Wenn es noch nicht so kalt ist wie jetzt Mitte November, sieht man oft die Fledermäuse zur Jagd aus dem Kirchturm fliegen, der hinter dem Tulpenbaum steht. Gerne verweile ich dann in meinem Tun und beobachte wie die lautlosen Segler unter der Laterne vorbeifliegen sich die Nachtfalter schnappen und im Dunkel der Bäume verschwinden. Solche Augenblicke beflügeln mich und geben Energie für das tägliche Tun.

Instrumentenmacher befestigt Dornen am Regenmacher


All diese kleinen Begebenheiten lassen mich oftmals die speziellen Angelegenheiten auf den Abend verschieben. So auch an diesem Abend als ich meine Stoffe auspackte und als Dessert eine Musterhängematte zwischen den Stoffen fand, die ich natürlich sofort aufhängte.

Genüsslich lag ich nun in diesem Unikat und genoss das Schaukeln und Entspannen am Ende eines langen Tages. Diese Hängematte ist sowohl das Ende eines langen Weges als auch der Anfang!

Es sind nun genau zehn Jahre vergangen, als ich Ende November 1989 im Flugzeug nach Peru sass. Meine Freundin war schwanger, und ich wollte das Reisen mit dem Broterwerb verbinden. Obwohl ich schon einige Erfahrungen in diesem Gebiet gemacht hatte lag etwas Grosses, Unbekanntes vor mir. Noch gut mag ich mich an diesen Aeroflot Flug erinnern. Am Ende einer langen Reise, kurz vor dem Ziel stieg eine grosse Angst in mir auf. Dieses Unbekannte drohte mich zu verschlingen doch eine Stimme aus dem Innersten sagte mir, dass alles gut werde, solange ich es selbst gut mache.
Mit dieser Gewissheit schlief ich einen kurzen, aufgewühlten Schlaf und schon landeten wir in Lima -Peru. Der Bürgerkrieg in diesem Land näherte sich seinem Höhepunkt, und was ein Teil meiner Ängste war vereinfachte meine Arbeit. Da viele Teile Perus nur noch erschwert bereisbar waren und von Ausländern gemieden werden mussten, konzentrierten sich viele Kunsthandweker aus den Provinzen im Grossraum Lima.


Noch heute kaufen wir unsere Retablos bei Maximiliano, den ich bei dieser ersten Reise kennen lernte. Als ich ein paar Jahre später allein in dieses Viertel von Lima fuhr, schüttelte der Taxifahrer nur den Kopf und fragte sich was ich wohl in diesem Viertel wolle. Ein wenig schüttelte ich selber den Kopf über mich, als ich an Fabriken vorbeimarschierte die Festungen glichen. Hohe Mauern und darüber Stacheldraht, Totenköpfe die einem daran mahnten was passiert, wenn man den Draht berührt. Alle hundert Meter und in jeder Ecke ein Turm mit Schiessscharten, aus denen Gewehrläufe imaginäre Ziele anvisierten.

Viele Menschen konnten nicht verstehen dass ich in all diese verschiedenen Viertel und abgelegenen Dörfer gehe. Weshalb ich Tage damit verbringe, mit aufwendiger Recherchierarbeit herauszufinden, wer was in welchem Dorf produziert. In Ecuador versuchte ich Taschen direkt von den Produzentinnen zu kaufen obwohl mir von verschiedenen Seiten gesagt wurde, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit sei. Auf der Fahrt in dieses Dorf lernte ich eine Frau kennen, deren Eltern eine kleine Bäckerei auf dem Markt in ebendiesem Dorf betrieben. Am nächsten Tag war es dann ein Einfaches die ersten Taschen mit Hilfe der Bäckersfamilie zu kaufen, da sie allseits bekannt waren und die Indianerfrauen aus den Bergen so schneller Vertrauen fassten. Es sprach sich wie ein Lauffeuer herum, dass da ein Gringo Shigras zu einem besseren Preis kaufte als üblich. Eine halbe Stunde später war ich von Dutzenden Menschen umstellt, die sich dieses Schauspiel nicht entgehen lassen wollten. Ich war froh über diese Menge an Schaulustigen, als ich von den Händlern bedroht wurde ( zwei Brüder und eine Schwester), die diese Art von Taschen seit Jahr und Tag kauften und verkauften, und sich ein Monopol erarbeitet hatten. Unter dem Jahr gingen viele Frauen in die Bäckerei und fragten nach mir . Etliche legten ihre Taschen zur Seite um sie mir bei meinem nächsten Besuch zu verkaufen...


Solche Geschichten ergaben sich zu fast allen Artikeln die wir im Laufe dieser Zehn Jahre verkauften . Sie sind Balsam auf die Wunden die die vielen Stunden vergeblichen Bussfahrens und enttäuschte Hoffnungen verursacht haben. In Peru, Ecuador und Mexiko ist es relativ einfach direkt mit den Produzenten zusammenzuarbeiten. Es sind meistens Einzelpersonen oder Familien, die einen Rohstoff zu einem kleinen Kunstwerk verarbeiten. Viel schwieriger ist es wenn sich ein Artikel aus verschieden handgearbeiteten Materialien zusammensetzt. So wie bei unseren Gürteln, die aus dem Stoffband und dem Leder zusammengesetzt werden. (Ruf der Tukane 96/97). Da ich nicht einfach bei einem Sattler den fertigen Gürtel kaufen wollte, stellte ich mich nach abenteuerlicher Odyssee am Markttag in Totonicapan, Guatemala an den Strassenrand und fragte die Frauen die an den Markt gingen nach Stoffbändern. Einige Bänder konnte ich im Moment kaufen, andere Frauen versprachen, in zwei Wochen mit Bändern mit schönen Mustern zurückzukehren.


In den nächsten zwei Jahren war es immer wieder eine gewisse Rosa die mir wunderschöne Bänder webte. Julio, ein Sattler den ich mit diesen Bänden in der Hand kennenlernte, fertigt unsere Gürtel her. Zehn Jahre ist her,dass ich per Zufall an seiner Tür stand. Auch er verwies mich wohlmeinend auf die Händler, die diese Bänder verkaufen, doch ich wollte direkt mit den Menschen zusammenarbeiten. Mittlerweilen bilden wir zusammen eine Kette von Menschen die zusammen und miteinander Arbeiten. Als wir vor sechs Jahren jemanden suchten der Stoff für uns webt, machte mich Rosa auf ihre Brüder aufmerksam die Webstühle besassen, jedoch nur noch sporadisch daran arbeiteten.


Zusammen bauten wir diese Weberei wieder neu auf. Für uns alle war es nicht immer einfach. Die Weber mussten lernen Ikatstoffe zu Weben, die Frauen um Rosa lernten Ikatmuster abbinden. Ich kümmerte mich um Farbstoffe die nicht mehr abfärbten, Kleininstrumente und Know.How. Julio half uns als Schaltstelle und als gute Seele. Zusammen verbrachten wir mehrere Wochen beim Färben mit neuen Farben. Erstellten Rezeptbücher und schrieben Erfahrungen nieder. Mehrere Tiefschläge konnten uns nicht abhalten, auf unser Ziel zuzugehen. Die Frauen um Rosa kauften eine Nähmaschine zu Ihrer alten Trettnähmaschiene. So vernähen sie die Stoffe die ihre Brüder weben.


Die Hängematte in der ich liege ist das Produkt dieser Kontinuität. Zusammen haben wir ein Produkt erschaffen das in seiner Art einzigartig ist. Wir liessen einen um 70 cm. breiteren Webstuhl bauen, erkundigten uns wie man den Schuss bei einem Webstuhl dieser Art auslöst. So entstand eine brasilianische Hängematte a la Guatemala . Ohne Naht, in dieser Art noch nie gesehen, dürfen wir alle glücklich über das Erreichte sein. Vor zehn Jahren hätte ich mir es nie träumen lassen, dass wir eine eigene Produktion an Stoffen und Textilien in Guatemala haben. Es sind zwei Sätze die all dies am besten umschreiben: Zusammen sind wir stark, und "der Weg ist das Ziel".

Bis bald - Die Tukane

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